“Warning. Remote Zone Ahead” - Die Durchquerung der Nullarbor Plain
Schnurgerade liegt sie vor uns. Wir bleiben am Straßenrand stehen, um das legendäre Foto zu machen, das zum Nullarbor Crossing gehört wie der Stopp im Roadhouse und die massiven Road Trains: „146,6km - Die längste gerade Straße Australiens“.
Die Durchquerung der Nullarbor Plains, der „baumlosen Ebenen“, fällt definitiv nicht in die Top 10 Destinationen für die alljährlichen Sommerferien. Die wenigsten Australier haben sich an das Unterfangen gewagt und internationale Touristen vermeiden die zeitintensive Fahrt durch das Nichts und reisen lieber die touristisch gut erschlossene Ostküste oder die atemberaubend wilde Westküste entlang. Dabei ist das Nullarbor Crossing ein zutiefst australisches Erlebnis und erwähnt man das Vorhaben gegenüber australischen Freunden und Kollegen, erntet man anerkennendes Schulterklopfen.
Wer mit dem Auto von Adelaide, South Australia, nach Perth, Western Australia, will, der muss die Fahrt durch die Einöde wagen. Streng genommen gelten nur die 1.169 Kilometer zwischen Ceduna und Norseman als Nullarbor. Zwischen den zwei kleinen, eher tristen Städten gibt es auf den ersten Blick - Nichts; Wer sich Zeit nimmt, der kann hier die Essenz des roten Kontinents finden.
Einen unendlichen Horizont, unfassbare Weiten, eine sich ständig wechselnde Landschaft. Roadhouses mit horrenden Benzinpreisen und eiskaltem Bier. Kängurus, Emus, Kamele, die hoffentlich ganz weit weg vom Straßenrand grasen. Riesige LKWs, die aufgrund ihrer Länge Road Trains genannt werden, und vier bis fünf Anhänger ziehen. Den längsten Golfkurs Australiens. Einen Geheimclub von Reisenden, mit denen man bei den wenigen Stops problemlos in's Gespräch kommt, und von denen jeder einzelne grüßt, wenn man auf der einsamen Straße aneinander vorbeifährt.
Es geht los... Wir starten unser Nullarbor Crossing in Südaustralien.
Die Straße, die Ebene, ein endloser Himmel und wir
Wir unterbrechen unsere Fahrt erstmals in Penong. Hier hat ein schlauer Campingplatz-Betreiber eine lokale Attraktion geschaffen. Das Windmill Museum ist ein willkommener letzter Stopp vor der Einöde. Auf einem frei zugänglichen Feld haben die Dorfbewohner Windmühlen aufgestellt, wie sie auf den Farmen dieser Region verwendet werden. Jakob saust von Mühle zu Mühle und kann sich kaum losreißen: „This is beautiful!“, kreischt er wieder und wieder. Dann folgt ein Highlight für die Großen: Die „Watermelon Road“ am Lake MacDonnell heißt so, weil sich auf einer Seite der Schotterstraße ein pinker Salzsee, auf der anderen Seite ein dunkelgrüner Süßwassersee befinden. Auf Luftaufnahmen könnte man hier mit etwas Fantasie tatsächlich eine Wassermelonen-Scheibe erkennen.
Das Windmill Museum ist faszinierend für die Kleinen...
...und ein willkommener letzter Auslauf vor der langen Fahrt.
Watermelon Road
Das getrocknete Salz leuchtet unnatürlich pink.
Zeit für ein Familienfoto
Ob ein natürliches Salzbad die Füße weich und geschmeidig macht?
Verlässt man Penong, warnt ein Schild: „Last shop for 1000km. Warning. Remote zone ahead.“ Wir lassen uns nicht abschrecken. Der Tank ist voll, wir haben 20 Liter Trinkwasser und 80 Liter Regenwasser dabei, und bei einem letzten Einkauf in Ceduna unsere Lebensmittel aufgestockt.
299 Kilometer sind es „nur“ von Ceduna zum Nullarbor Roadhouse, wo wir unser erstes Nachtlager aufschlagen. Kurz vor dem Roadhouse zweigt eine Seitenstraße ab zum Head of Bight, beeindruckenden Klippen, die ohne weiteres das Ende der Welt markieren könnten. Reisende, die im australischen Winter hier durchkommen, können von den Klippen aus Southern Cross Wale beobachten, die in diesen Gewässern ihre Kälber gebären.
Head of Bight
Wale sichten wir aufgrund der Jahreszeit keine, aber so weit haben wir es schon geschafft!
Raue, spektakuläre, windige Klippen
Am nächsten Tag steht uns eine Monsterfahrt bevor. 716 Kilometer bis zum nächsten Roadhouse, inklusive Überquerung der Grenze und Fahrt auf der längsten geraden Straße Australiens. Wir starten früh und kommen gut voran. Außerdem kommt uns die Zeitumstellung zugute. Western Australia und South Australia liegen in unterschiedlichen Zeitzonen, und weil WA auf die Sommerzeit verzichtet (es gilt das ganze Jahr über die gleiche Zeit) holen wir auf der Fahrt ganze zweieinhalb Stunden auf!
Die Grenzkontrollen sind ausgesprochen streng. In normalen Zeiten können Reisende hier einfach durchfahren. Western Australia griff aufgrund von Covid zu strengen Massnahmen und sperrte die internationalen und innerstaatlichen Grenzen zwei Jahre lang komplett zu. Erst seit knapp zwei Wochen ist der größte Bundesstaat Australiens wieder geöffnet, allerdings unter strengen Auflagen und nur für Dreifach-Geimpfte. Folge der Grenzöffnung sind nicht nur emotionale Zusammenführungen von Familien und Liebenden am Flughafen von Perth, die tagelang im Fernsehen übertragen wurden. Es scheint, dass jeder einzelne Campingbus des Landes im Moment Richtung Westen gelenkt wird. Unsere Einreisegenehmigungen werden genau kontrolliert und anschließend zieht uns die Quarantänepolizei auf die Seite. Ein Kilo Äpfel, Birnen, Trauben, eine Kiste Tomaten, Zucchini, Avocado und ein Salatkopf landen im Müll - der in Western Australia nicht existenten Fruchtfliege und den damit einhergehenden Quarantänebestimmungen zum Dank.
Das Nullarbor Crossing könnte langweilig sein, gäbe es in der Einöde nicht so viel zu sehen und zu erleben. Jakob ist begeistert von den riesigen Trucks, die an uns vorbei rauschen. Wir lesen fasziniert über die geheimen Atombombentests, die die britische Regierung 1956 und 1957 hier ausführte. Erst in den 70er Jahren wurden diese publik gemacht und führten zu einigem Aufsehen in der australischen Bevölkerung. Die Landschaft wechselt alle paar Stunden. Steppenartige Weiten gehen über in eine von niedrigen Büschen bewachsene, grau-grüne Ebene. Dann erhebt sich zu unserer Rechten plötzlich eine nicht enden wollende Range, die uns an Afrika erinnert. Und es bleiben natürlich immer die obligatorischen Fotostopps: „146,6km. Australia's longest straight road.“
Australiens längste gerade Straße macht es um einiges leichter, die berüchtigten Road Trains zu überholen.
Achtsam fahren heißt es hier - aber zum Glück hat man meist freie Sicht.